Das Medizinische Versorgungszentrum

Eine besondere Konstruktion im Vertragsarztrecht

Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ist eine ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte interdisziplinär zusammenarbeiten und sowohl als angestellte als auch als niedergelassene Vertragsärzte tätig sein können. Es bietet eine strukturierte und fachübergreifende medizinische Versorgung, die sich von der klassischen Einzelpraxis unterscheidet. Die gesetzliche Grundlage für MVZ findet sich in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V.

Die Einführung der MVZ erfolgte mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2004, um die ambulante medizinische Versorgung effizienter zu gestalten. Mittlerweile haben sich MVZ stark weiterentwickelt, wobei insbesondere die Beteiligung von Investoren an Bedeutung gewonnen hat. Dies führt jedoch zu rechtlichen und ethischen Diskussionen über die ärztliche Unabhängigkeit und die Qualität der Patientenversorgung.

Wer kann ein MVZ gründen?

Laut § 95 Abs. 1a SGB V können MVZ nur von bestimmten Leistungserbringern gegründet werden. Dazu gehören:

  • Vertragsärzte und Vertragszahnärzte
  • Krankenhäuser
  • Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen
  • Kommunale Träger, gemeinnützige Organisationen oder Universitäten

Reine Investoren oder Managementgesellschaften dürfen kein MVZ gründen, was politisch stark diskutiert wird. Dennoch gibt es Umgehungsmodelle, bei denen Investoren über Tochtergesellschaften oder Beteiligungen an Krankenhäusern indirekt MVZ betreiben.

Welche Rechtsformen sind für ein MVZ möglich?

Ein MVZ kann ausschließlich in bestimmten Rechtsformen betrieben werden, darunter:

  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) – die häufigste Form wegen der klaren Haftungsbegrenzung
  • Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – vor allem für MVZ, die von Vertragsärzten gegründet werden
  • Partnerschaftsgesellschaft (PartG) – für Zusammenschlüsse von Freiberuflern
  • Eingetragene Genossenschaft (eG) – selten, aber möglich
  • Öffentlich-rechtliche Rechtsformen – z. B. MVZ in kommunaler Trägerschaft

Die Wahl der Rechtsform hat erhebliche Auswirkungen auf Haftung, Steuerrecht und Finanzierung. Während eine MVZ-GmbH eine strikte Trennung zwischen privaten und betrieblichen Finanzen ermöglicht, ist eine GbR oder Partnerschaftsgesellschaft oft unkomplizierter in der Verwaltung, birgt aber ein höheres persönliches Haftungsrisiko für die Gesellschafter.

Welche Rolle spielt der ärztliche Leiter im MVZ?

Jedes MVZ benötigt laut § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V eine ärztliche Leitung, die für die medizinische Qualität und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben verantwortlich ist.

Aufgaben des ärztlichen Leiters:

  • Medizinische Gesamtverantwortung für die Patientenversorgung
  • Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung nach EBM und GOÄ
  • Überwachung der ärztlichen Dokumentation und Qualitätssicherung
  • Verhinderung von wirtschaftlicher Einflussnahme auf medizinische Entscheidungen

Wichtig: Die ärztliche Leitung darf keine rein kaufmännische Funktion übernehmen. Die Rechtsprechung sieht eine strikte Trennung zwischen wirtschaftlicher und medizinischer Leitung vor, um Interessenkonflikte zu vermeiden.




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Vor- und Nachteile eines MVZ für Ärzte und Patienten

Vorteile:

  • ✔ Interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessert die Patientenversorgung
  • ✔ Angestelltenverhältnis für Ärzte, keine wirtschaftlichen Risiken wie in einer Einzelpraxis
  • ✔ Attraktive Arbeitsbedingungen, besonders für Ärztinnen und Ärzte mit Teilzeitwunsch
  • ✔ Planbare Nachfolgeregelungen, kein Praxiskauf notwendig
  • ✔ Investitionen in moderne Medizintechnik und Digitalisierung leichter möglich

Nachteile:

  • ❌ Komplexe rechtliche und organisatorische Anforderungen an die Gründung
  • ❌ Strenge gesetzliche Vorgaben für Abrechnung und Trägerschaft
  • ❌ Investorenmodelle können die ärztliche Unabhängigkeit gefährden
  • ❌ Steuerliche und buchhalterische Herausforderungen, besonders bei MVZ-GmbHs
  • ❌ Regulierungsrisiken durch Gesetzesänderungen, die MVZ-Träger betreffen

Abrechnung im MVZ: Besondere Anforderungen

Die Abrechnung medizinischer Leistungen im MVZ erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für gesetzlich Versicherte oder nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für Privatpatienten.

Wichtige Aspekte bei der Abrechnung:

  • MVZ sind direkt abrechnungsberechtigt, nicht die einzelnen Ärzte
  • Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen sind streng zu beachten
  • Abrechnungskontrollen durch die KV erfolgen regelmäßig
  • Unzulässige wirtschaftliche Einflussnahme auf Ärzte kann zu Regressforderungen führen

Fehlerhafte Abrechnungen können zu Honorarkürzungen, Regressen oder sogar Betrugsvorwürfen führen, weshalb eine rechtliche Beratung essenziell ist.

Aktuelle Entwicklungen und politische Debatten

MVZ stehen zunehmend im Fokus der Gesetzgebung und Rechtsprechung. Besonders problematisch ist die Einflussnahme privater Investoren, die über Beteiligungsgesellschaften MVZ betreiben.

Rechtsprechung und Gesetzesinitiativen:

  • SG Dresden (Beschluss vom 09.05.2022 – S 25 KA 20/22 ER): Einschränkungen für Investorenmodelle
  • Neue Reformüberlegungen auf Bundesebene, um Kapitalbeteiligungen stärker zu regulieren
  • Geplante Anpassungen im Sozialrecht, um ärztliche Unabhängigkeit besser zu schützen

Ein mögliches Verbot von MVZ, die indirekt von Finanzinvestoren kontrolliert werden, könnte die Landschaft der ambulanten Versorgung verändern.

Fazit: Wann lohnt sich ein MVZ?

Die Gründung eines MVZ bietet viele Vorteile, stellt jedoch hohe Anforderungen an rechtliche und wirtschaftliche Strukturen. Ärzte, die ein MVZ gründen oder sich beteiligen möchten, sollten sich umfassend über rechtliche, steuerliche und abrechnungstechnische Rahmenbedingungen informieren.

Als Anwalt für Medizinrecht unterstütze ich Sie bei:

  • ✔ Gründung und Zulassung eines MVZ
  • ✔ Vertragsgestaltung für Gesellschafter und angestellte Ärzte
  • ✔ Abrechnungs- und Haftungsfragen
  • ✔ Vertretung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und Aufsichtsbehörden

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